Dienstag, November 13, 2007

Dies ist ein Liebesbrief

Über ein Auslandssemester in einem Blog zu berichten ist schwierig. Natürlich will ich euch auf dem Laufenden halten, was alles so passiert. Aber ich muss zugeben, dass mir schon vor längerem aufgefallen ist, dass meine Berichte oberflächlich sind. Ich erzähle von den Orten, an denen ich war, und von kulturellen Unterschieden, die mir besonders ins Auge gestochen sind. Ganz klar, dass vieles davon zu den für mich persönlich besonderen Eindrücken gehört. Jedoch bleibt ein Großteil dessen, was mich wirklich im Innersten bewegt, unausgesprochen.

Dafür gibt es gute Gründe. Zum einen ist ein Blog kein Tagebuch. Es gibt Menschen, die ihre privatesten Gefühle und Erlebnisse in die weite Welt posaunen. Ich dagegen denke, dass dies in der Regel dem klassischen Tagebuch vorbehalten bleiben sollte.

Zum anderen sind oberflächliche Themen sowohl für mich als Autor als auch für euch als Leser einfacher. Denn alle wirklich wichtigen Erlebnisse sind sehr subjektiv. Jeder kann nach Tulsa oder nach New York oder an die Cliffs of Moher fahren. (Ich persönlich würde im Anschluss am ehesten die Cliffs of Moher als wertvolle Erfahrung in Erinnerung behalten, jemand anderes vielleicht nur New York.) Davon kann man gut berichten, aber im Grunde ist es eben oberflächlich. Die wirklich bedeutenden und bleibenden Erinnerungen können so unscheinbar sein wie die Silhouette einer Leserin am Rande eines Teichs. Denn sie haben beinahe nie mit Orten oder offiziellen Anlässen zu tun, und falls doch, so dient der Ort oder Anlass meist nur als Katalysator. Wirklich wichtig sind nämlich nur andere Menschen. Und solange ihr als Leser diese Menschen nicht selbst kennt, ist es mir kaum möglich, von meinen Erfahrungen so zu berichten, dass ihr sie hinreichend nachvollziehen könnt.

Ich würde daran auch nichts ändern wenn mir meine Privatsphäre (und die meiner Mitmenschen hier!) egal wäre. Sicherlich könnte ich versuchen, euch mit schriftstellerischen Ausschweifungen wie in einem Roman an die Protagonisten meines Abenteuers hier heranzuführen. Aber - ich bitte um Entschuldigung - dafür ist mir meine Zeit zu schade. Ich verwende schon jetzt genügend Zeit mit dem Schreiben dieses Blogs, da ich nicht einfach nur meine erstbesten Gedanken zu Protokoll geben will. Trotzdem will ich euch ein paar der tollen Menschen, die ich hier kennengelernt habe, kurz vorstellen. Der wirklich spannende Tratsch bleibt aber privat!

Da wäre zum Beispiel Mohammed, mein algerisch-französischer Mitbewohner, der hier seinen Master macht. Es ist zum großen Teil ihm zu verdanken, dass unser Apartment trotz kolumbianischer Küchenbenutzung noch nicht ganz verwahrlost ist (das hört sich jetzt schlimmer an, als es ist). Er hat eine freundliche und bedachte Art, die er auch in seinen im Überfluss vorhandenen Humor einfließen lässt. Kombiniert mit seinem Akzent hat das schon dazu geführt, dass Besucher im Wortsinn vor Lachen auf dem Boden gelegen haben. Und ich habe noch nicht ganz aufgegeben, ihm "Pfüati" beizubringen (wie schreibt man das eigentlich?), aber bis jetzt hört es sich mehr wie "fifty" an.

Wer vor Lachen auf dem Boden lag war übrigens nicht irgendwer, sondern Phoebe ("Can't you hear I'm from England?"), die selbst im Swimmingpool noch am Tanzen ist, wenn die Musik passt. Es gab eine Phase, in der wir ständig Südstaatenakzente ("Howdyall") und die absurden Rufe der Fraternities und Sororities imitiert haben. Auch sonst haben wir jede Menge Spaß, nicht zuletzt mit so tiefgreifenden Erkenntnissen wie der, dass es doch tatsächlich Eltern gibt, die ihr Kind Shithead nennen (der Name wird Shutheed ausgesprochen).

Für Heroes und andere Serien ist Aissata ("Oooohhhh, Shasha!") aus Mali Expertin. Sie ist außer ihrer Schwester Seina übrigens die einzige Studentin aus Mali hier, und immer wieder für Parties und ähnliches zu haben. Ich darf daran erinnern, dass der Elf ihre Idee war. Auf dem Bild sind Aissata, ihre Energie geladene Mitbewohnerin Yan und Lukas.

Ein ganz anderer Typ Mensch ist Sachiyo aus Japan durch die ich gelernt habe, wie mit etwas Aufmerksamkeit aus einem schönen Abend ein besonderer Abend werden kann. Sie entspricht viel mehr dem Klischee von fernöstlicher Zurückhaltung, aber jedes Mal, wenn ich mich mit mir unterhalten habe, war eine Bereicherung. Leider habe ich nicht mehr viel mit ihr zu tun.

Neben ihr auf dem Sofa sitzt Dominik, den ich in diesem Blog schon öfter erwähnt habe. Er wird von (fast?) allen geliebt, nicht nur für seinen grandiosen deutschen Akzent. Durch seine Arbeit bei OU Nightly hat er immer wieder interessante Einblicke parat. Leider versagt Dominik genau diese Arbeit die Mitfahrt bei unserem Thanksgiving-Roadtrip. Es ist übrigens einfach angenehm, ab und zu wieder mit einem anderen Deutschen zu reden. Denn ich habe hier mit den wenigsten anderen Deutschen viel zu tun, und das ist auch gut so.

Überhaupt nicht dem fernöstlichen Klischee der Zurückhaltung entsprechen übrigens Südkoreaner. Fast alle, die ich von ihnen getroffen habe, waren total offen und eine Freude beim gegenseitigen Austausch. 아름 (Areum), die ich zum ersten Mal vor ein paar Wochen richtig kennengelernt habe, hat mir auch gleich eine südkoreanische Fernsehsendung gezeigt. Areum ist übrigens Mitbewohnerin von Theresia aus Paderborn. Manchmal sind sie auch einfach nur süß, zum Beispiel als 예리 (Ye Li) mir vom im koreanischen Singsang ausgesprochenen "ree-sal" erzählt hat. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, dass damit eine Orchesterprobe gemeint war. Ich habe mir schon seit Jahren immer wieder überlegt, eine "ganz andere" Sprache zu lernen. Sieht aus, als hätte ich meine Entscheidung getroffen. Hier sind Cindy und Ye Li. Wie viele andere Koreaner heißt Cindy nicht wirklich Cindy, sondern hat sich diesen Namen zugelegt, weil er einfacher auszusprechen ist. Ihren echten Namen weiß ich nicht mehr, aber er klang ganz ähnlich.

Damit sind leider immer noch nicht alle erwähnt, die ich erwähnen wollte, und erst recht sind nicht alle erwähnt, die eine Erwähnung verdient haben. Aber es ist an der Zeit, dass ich diesen Eintrag abschließe. Vielleicht kommt ja noch ein Nachtrag... und wer wirklich mehr wissen will, wird dazu auch Gelegenheit bekommen.

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